Entschuldigungen in internationalen Beziehungen

Ein tieferer Blick auf die historischen Wurzeln internationaler Konflikte zeigt, dass ein großer Teil dieser Konflikte nicht allein den offensichtlich bekannten Gegnern und Problemen geschuldet ist, sondern sich auch als Ergebnis alter, nicht aufgearbeiteter Konflikte darstellt.
Im Prozess der Aufarbeitung alter Konflikte, spielen Entschuldigungen eine wesentliche Rolle.
Sie dienen der Wiederherstellung der Würde, der Ausheilung alter Wunden und helfen das seelische Leid zu lindern. Für die Opfer ist dies eine bedeutsame Voraussetzung um weiter am Dialog teilzunehmen.
Faktenbasierte Analysen und wirtschaftliche Diskussionen stehen bis jetzt im Fokus. Es geht aber um Menschen und deren Würde wie sie im Artikel 1 unseres Grundgesetzes explizit als unantastbar festgeschrieben ist. Deshalb gehören sie mit ihren Bedürfnissen und Gefühlen uneingeschränkt in den Vordergrund. Das bestimmt auch die Adressierung und Inklusivität im gesamten Prozesses.

 

Fundamentale Aspekte von Entschuldigungen

Begriffliche Abgrenzung

In der deutschen Sprache wird der Begriff Entschuldigung auf zweierlei Art und Weise verwendet, was ihn damit unpräzise macht. In der englischen Sprache gibt es hierfür jeweils zwei unterschiedliche Worte. „Apology“ als „sich für etwas entschuldigen“, als Ausdruck des Bedauerns, und „Excuse“ für „um Entschuldigung bitten“ im Sinne von verzeihen und vergeben.
Davon abgesehen, dass sich selbst ent-Schuld-igen nicht funktioniert, da dieses nur der Geschädigte selbst tun kann, ist der inhärente Begriff „Schuld“ problematisch. Schuld ist ein bekanntes Machtmittel, das in gesellschaftlichen Systemen bis heute verwendet wird. Bei dem „sich für etwas entschuldigen“ geht es vielmehr um das Bedauern von Geschehnissen. Dem folgt die entsprechende Übernahme der Verantwortung inklusive der Bereitschaft, hierfür einen Ausgleich zu schaffen. Dieses Wiedergutmachungsprinzip ist aus dem „Restorative Justice“ bekannt.

 

Ausdruck des Bedauerns

Die Leidtragenden entscheiden ob der Ausdruck des Bedauern für sie annehmbar ist oder nicht.
Dafür liegt es an den Verursachern eine kohärente innere Haltung zu haben und die Tatsachen für sich selbst anzuerkennen und Willens zu sein, die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Ohne ehrliche Anzeichen von Reue, wird das Annehmen der Entschuldigung unwahrscheinlich. Das Bedauern muss vor der Weltöffentlichkeit geschehen und transparent sein. Symbolische Akte, wie der Kniefall von Willy Brand in Prag 1970, sind hier hilfreich.

 

Authentizität

Eine Person die für sich oder ein Kollektiv ihr Bedauern ausspricht, muss sich selbst über ihre eigene Motivation im Klaren sein. Nur wenn es ihr ehrlich um die Reduzierung des Leids beim Betroffenen geht, wird es eine überzeugende Bekundung von Reue.
Wie auch die vorausgehenden Anerkennung muss die Bekundung ein Mindestmaß an Konkretisierung beinhalten. Ein pauschales „Sorry für alles“ funktioniert nicht.
Der Ausdruck des Bedauerns muss bedingungslos, ohne Einschränkungen und ohne Rechtfertigungen erfolgen.

 

Was braucht es noch?

Es bedarf einer erkennbaren Ernsthaftigkeit, sich nur und ausschließlich auf das Leid der Betroffenen zu konzentrieren, ohne Angst vor der Übernahme der Verantwortung und einem Ausgleich.
Es obliegt den Betroffenen, ob sie den Ausdruck des Bedauerns als solchen annehmen, und dann zu einem vertiefenden Dialog bereit sind, oder nicht. Das Annehmen kann nicht erzwungen werden und jedes Verhandeln und Fordern desselbigen ist nur ein Zeichen von unehrlichen Absichten und kann nicht zu einem nachhaltigen Frieden führen.

 

Ablasshandel versus Goldesel

Grenzenlose unrealistische Forderungen als Ausgleich behindern den Entschuldigungsprozess. Nicht verwunderlich ist es allerdings, wenn auf der einen Seite das Bestreben sich von Schuld freizukaufen im Vordergrund steht, sich auf der anderen Seite Verhandlungspartner einfinden, die nur das schnelle Geld einfordern und die Ausheilung alte Wunden nur vorschieben. Erkennbar wird dies, wenn über einen langen Zeitraum allein die Anerkennung und der „Ausdruck des Bedauerns“ verhandelt wird, und dem primär hohe monetäre Forderungen gegenüber stehen.
               Es geht in erster Linie nicht um Geld, sondern um Menschen.
Der emotionale Aspekt, in der Form von Mitgefühl, wirkt der Objektifizierung der Opfer entgegen und unterstützt sie am Prozess der Wiedergutmachung würdevoll teilzuhaben und lädt sie quasi dazu ein.

 

Gibt es Vergebung?

“Vergebung ist ein Mythos“ und Aussöhnung/Versöhnung ein Prozess in dessen Fortschritt Frieden entstehen kann. Bei vergangenem Unrecht, zum Beispiel dem Kolonialismus, handelt es sich oft um seelisches Leid bei den Hinterbliebenen und Nachfahren. Für die Betroffenen ist es, je nach Schwere der Gräueltaten, problematisch bis unmöglich an Vergebung zu denken. Der Begriff der Vergebung ist zu bedeutsam und zu mächtig. Eine große Errungenschaft wäre bereits die friedvolle, respektvolle Koexistenz mit einem kontinuierlichen Dialog.
Die Bitte um Entschuldigung, Verzeihung oder Vergebung wird trotzdem oft geäußert und enthält dazu leider fast immer die Erwartung der Erfüllung. Vergeben und Verzeihen ist ein Prozess hin zu einer inneren Haltung und kein Ereignis. Dies kann nicht vertraglich geregelt werden. Zu beachten ist, dass es nicht um Schuld geht, sondern um die Übernahme von Verantwortung. Nicht der Betroffene ist in der Pflicht etwas zu entschuldigen sondern die Verantwortlichen sind eingeladen ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Diese uneingeschränkte Übernahme der Verantwortung impliziert die Bereitschaft für einen Ausgleich. Diesen Ausgleich, egal welcher Art, in diesem frühen Stadium zu konkretisieren oder sogar zu verhandeln ist kontraproduktiv. Dieses ist Teil des möglichen nachfolgenden Dialogs, wenn der Wille und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung von den Betroffenen anerkannt wurde. Das ist dann bereits ein bedeutender Schritt.

 

Wie Ernst ist es uns mit der unantastbaren Würde des Menschen?

Auf globaler Ebene, haben die als “Opfer“ geltenden Länder oder Volksgruppen Probleme ihr Bedürfnis nach Wiederherstellung der Würde, Gerechtigkeit und Reparationen durchzusetzen. Hier verhindert das meist vorhandene Machtgefälle einen Dialog auf Augenhöhe. Ein paternalistisches Verhalten sowie eine eurozentrische und egozentrische Haltung ist trotz aller Bekundungen von Fairness, Gleichberechtigung und Menschlichkeit vorherrschend.
Eklatante Schwächen im Umgang mit den eigene Schuld- und Schamgefühlen erschweren zusätzlich die Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung.
So werden maximale Anstrengungen unternommen sich der Verantwortung zu entziehen. Der öffentlichen Druck aus der Zivilgesellschaft macht sichtbar, dass es offenkundig nicht mehr zu verhindern ist, sondern nur noch aufschiebende Wirkung hat.

Pfad der Entschuldigung