Standards für Aussöhnungsprozesse in internationalen Beziehungen

Das Thema Versöhnung und Aussöhnung ist ein zutiefst menschliches Thema. Dieses kann mit juristischen Mittel alleine nicht bewältigt werden.
Neben dem Wunsch nach Gerechtigkeit und Ausgleich, stehen die Herausforderungen die Verantwortung zu übernehmen und mit dieser umzugehen.
Schmerz, Trauer und Enttäuschung stehen Schuld und Schamgefühlen gegenüber. Die Verursacher bzw. Verantwortlichen sind in ihrem eigenen Vorteilsdenken gefangen und schaffen diesbezüglich weder Selbstreflexion noch Perspektivwechsel.
Das ein fortwährender ungelöster Konflikt im Endeffekt mehr Schaden anrichtet, ist von dem eigenen kurzfristigen trachten nach Wohlstandserhalt und Wohlstandsgewinn überdeckt.
Für die Opfer ist es unterstützend den Prozess und dessen Möglichkeiten zu kennen, um hierin eine aktive Rolle einzunehmen. Für die Verantwortlichen ist es hilfreich, die eigene Verstrickung in Denkschemata zu erkennen und zu überwinden.

 

Historische Ursachen – Heutige Konflikte

Kriege, Ausbeutung und sonstiges vergangenes Unrecht hinterlassen materielle und körperlicher Schäden. Die einhergehenden seelischen Verletzungen belasten über die nächsten Generationen die Beziehungen. Die Zeit heilt diese Wunden nicht sondern verdrängt sie nur. Es Bedarf einer aktiven Aufarbeitung der Vergangenheit. Für die Wiederherstellung von Würde und Gerechtigkeit benötigt es Anerkennung, Bedauern und einen Ausgleich. Für diesen Ausgleich ist es notwendig etwas spürbar zu geben, das beinhaltet auch ein Loslassen.
Für die Verantwortlichen gilt es von einer angstbasierten Verweigerungshaltung zu einer empathischen Verantwortung zu kommen.

In internationalen Konflikten, auch wenn diese gerade nicht direkten kriegerischen Handlungen unterliegen, gibt es eine Machtasymmetrie, die dem Beginn eines konstruktiven Dialogs auf Augenhöhe im Weg steht. Mit dieser Tatsache umzugehen unterliegt auch der Verantwortung der globalen Staatengemeinschaft, da ungelöste Konflikte die Sicherheitslage und den Frieden auf der ganzen Welt maßgeblich beeinflussen. Die hierdurch entstehenden Kosten werden in dem Wohlstandsdenken der Verantwortlichen nicht berücksichtigt.

Der Weg

Das Bewältigen eines Konfliktes oder einer belastenden Koexistenz nach vergangenem Unrecht beginnt mit der Anerkennung der historischen Tatsachen und Fakten.


Gefolgt wird dies von der Bekundung des Bedauerns und der Reue, was gemeinhin als Entschuldigung verstanden wird.

 

Der anschließende Dialog kann in eine gemeinsame Vereinbarung münden. Das Ziel ist eine friedlichen respektvolle Koexistenz bis hin zu echter Aussöhnung und Versöhnung als Basis für einen nachhaltigen Frieden.

 

Auf dem Weg zu einer diesbezüglichen Vereinbarung ist die Anerkennung und der Entschuldigungsprozess von entscheidender Bedeutung.

Der Weg der Aussöhnung

Die Anerkennung ist unter anderem:

 

  • spezifisch und keine Pauschalisierung
  • ohne Einschränkungen, also ohne „aber“
  • ohne Rechtfertigungen
  • ohne Forderungen

 

Die nachfolgende Entschuldigung als Ausdruck des Bedauerns ist ein bedeutsamer und symbolträchtiger Schritt mit diversen Randbedingungen insbesondere im Hinblick auf seine emotionale Bedeutung.

 

 

Die Annehmbarkeit für die Betroffenen basiert auf:

 

  • Ernsthaftigkeit (ehrlich, öffentlich, transparent)
  • Konkretisierung (spezifisch)
  • Bedingungslosigkeit (uneingeschränkt, ergebnisoffen)
  • Inklusivität (Berücksichtigung aller Betroffenen)
  • Unterstützung durch symbolische Akt

 

 

Mehr dazu in den Working Paper:

 

Erinnerung, Mahnmale

Nicht nur als Mahnung für eine Nichtwiederholung, sondern auch als weiterer fortwährender Prozess der Aussöhnung ist die Erinnerung in allen Formen ein wesentlicher Teil.
Gedenkfeiern, Mahnmale, Denkmäler und die Berücksichtigung in Schulbüchern sind weitere relevante Schritte.
Was benötigt wird um alte Wunden zu heilen, sowie Gerechtigkeit und Würde wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten, wissen die Betroffenen selbst am besten und sind hier maßgeblich.

 

Hindernisse

Das Haupthindernis ist im Ego des Menschen angelegt. Seine Sozialisierung mit diversen Glaubenssätzen erschweren es ihm, gesamtheitlich mit anderer Perspektive auf das Thema zu blicken. Die Selbstreflexion und die Übernahme von Eigenverantwortung ist generell ein problematisches Thema, das sich in den Individuen durch die ganze Gesellschaft zieht.
Die Angst vor Wohlstandsverlust ist verbunden mit der Vorstellung eines grenzenlosen Wachstums, das in aktuellen Wirtschaftssystemen fundamental angelegt ist. Frieden, Umwelt und Natur wird in diesen Systemen nicht als bedeutender Bestandteil unseres Wohlstandes gesehen. Systeme streben nach Selbsterhaltung, so dass eine Änderung dieses Aspekts meist nur durch einschneidende Ereignisse von außen möglich ist.


Aus dem System heraus, ist eine freiwillige Übernahme der Verantwortung für vergangenes Unrecht nicht zu erwarten. Zwischen Opfern und Verantwortlichen ist ein starkes Machtgefälle vorherrschend. Anfragen von Seiten der Opfer stoßen auf hartnäckigen Widerstand, dem sie machtlos gegenüberstehen. Höhere Instanzen wie die UN und der Internationale Gerichtshof sind nicht zuständig oder machtlos. Die Zivilgesellschaft nimmt mit Opferverbänden und Friedensinitiativen eine wesentliche Rolle ein. Durch Vorbild und Einfluss fördert sie die kritische Masse für den Anstoß von Systemänderungen.
Um genau hier zu unterstützen, sind die Working Paper vom Peace Institute Potsdam entstanden.

 

 

Die Büchse der Pandora

Die ehemaligen Kolonialmächte sehen sich einer beängstigenden Verantwortung und Lawine von Ausgleichsforderungen gegenüber.
Wer hier zuerst vollständige Verantwortung übernimmt, öffnet sprichwörtlich die Büchse der Pandora.

 

Obwohl dies auf Dauer eine unvermeidliche notwendige Voraussetzung zur nachhaltigen Befriedung der Weltgemeinschaft ist, legt sich eine koloniale Amnesie und Lähmung wie ein Schleier über die westlichen Industriestaaten.

 

Menschenleben, menschliches Leid, Umweltschäden und massive Ressourcenverschwendung sind der Tribut den die Weltgemeinschaft dafür zahlt. Trotz allen Wissens darum wird mittels Herausreden, Relativieren, Verweigern und juristischen Tricks, die Verantwortung verzögert, aber letztendlich nicht aufgehoben.